Freiheit gegen Nationalismus innerhalb der Europäischen Union im Spiegel der Literatur: Ein Essay von Horst Oberbeil (gekürzt)

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Nationalismus. In fast jedem europäischen Land, marschieren sie jetzt, die kleinen Trumps… Mit populistischen Dummheiten, nationalistischen Abschottungsfantasien, Verschwörungstheorien und Scheinargumente sammeln sie Stimmen der Verunsicherten und Überforderten, der Abgehängten, Entkoppelten, der Denkfaulen und Verbitterten. Sie wollen vor allem eins: an die Macht. Und dann? Autokratien einrichten, illiberale Scheindemokratien. Und weiter? Europa abschaffen“.
So drückt Evelyn Roll, Politologin und Theodor-Wolff-Preisträgerin, etwas überspitzt die Furcht vor dem Ende Europas aus, in „Wir sind Europa, eine Streitschrift gegen den Nationalismus“ (Ullstein, Berlin 2016).
Zum Glück ist es noch nicht so weit. Im Gegenteil: Das gemeinsame Zusammenrücken der westlichen Mitgliedsstaaten gegen die Großmachtgelüste und Aggressionen Russlands haben die Selbstheilungskräfte und den Verteidigungswillen der EU mobilisiert. Aus der aktuellen Problematik heraus, dem Gefühl vieler junger Europäer, in der Gesellschaft und Öffentlichkeit politisch nichts bewirken zu können, hat sich die“Young European Collective“ Gruppe gegründet.
Die internationalen Mitglieder, im Alter zwischen 20 und Anfang 30, haben sich 2014 zur Aufgabe gemacht, Europas Jugend wieder eine Stimme zu geben. Ich zitiere aus dem Interview der Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Young European Collektive Gruppe: „Wir, die European Collektive Initiative bauen einen Zugang zur Öffentlichkeit auf und geben jungen Menschen Impulse und Inspirationen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und in der Politik mitzuwirken. Dazu schreiben wir und treffen uns als Gruppe. Ein konkretes Produkt ist unser Buch „Wy, if not us“ Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich vor allem junge Menschen aus nicht EU Mitgliedsstaaten gesellschaftlich und politisch engagieren im Verhältnis zu den jungen Menschen in den EU Mitgliedsstaaten“.

Gleichwohl lässt sich ein neuer Nationalismus feststellen, der in vielen Gestalten die Demokratien bedroht. Es resultiert erstens als Antwort auf die Krisen, die die Europäische Union durchgemacht hat, von denen ich einige zitiere aus meinem Essay „Die Bedeutung der Europäischen Union für die Integration Europas“ . „ 2015 schwappte ein Flüchtlingsstrom Vertriebener aus Syrien, Afghanistan, Libanon,Somalia und weiterer afrikanischer Staaten in die Gemeinschaft, die die Defizite einer gemeinsamen Asylpolitik offenlegte. Man konnte sich nicht auf eine gerechte Aufnahmequote von Flüchtlingen einigen. Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei lehnen bis heute eine verpflichtende Verteilerquote ab. Ungarn errichtete darüber hinaus Internierungslager für Flüchtlinge, in denen katastrophale hygienische und menschenunwürdige Zustände herrschen. Die Flüchtlingskrise führte in vielen Mitgliedsstaaten zum Erstarken der extremen Rechte.
Die Schuldenkrise war eine Folge der ungleichen ökonomischen Entwicklung der Mitgliedsstaaten (Europa der zwei Geschwindigkeiten) und hat zu Spaltungsbestrebungen derer geführt, die sich den Kreditbedingungen der Europäischen Kommission nicht beugen wollten. Das gilt besonders für Griechenland. Der Grexit konnte gerade noch verhindert werden, nicht jedoch der Brexit, der allerdings nicht in erster Linie der Schuldenkrise geschuldet ist, sondern den nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen Großbritanniens, das einen eigenen Weg bilateraler Vertragsgestaltung gehen will. Die Befürchtung, dass der Brexit einen Dominoeffekt auslösen würde, hat sich allerdíngs nicht bewahrheitet. Die wirtschaftlichen und vor allem politischen Nachteile des Brexits hat Großbritannien unterschätzt. Es muss befürchten, dass Nordirland und Schottland, die bei der EU bleiben wollen, sich vom Mutterland abspalten. So hat sich im Nachhinein die europäische Gemeinschaft der 27 verbliebenen Mitgliedsstaaten als stärker und beständiger erwiesen als allgemein angenommen“.
Das zweite Resultat neuer Nationalismus Bestrebungen wiegt bedeutend schwerer. Es gründet auf einen Angriff auf die demokratische Grundordnung nicht nur der EU Verfassung, sondern auch der demokratischen Grundordnung der nationalen Verfassungen, zu denen sich die Mitgliedsländer beim Beitritt verpflichtet haben. Als Beispiele erwähne ich die autoritären Führer Polens und Ungarns, denen es nicht so sehr um diskussionsfähige Meinungsverschiedenheiten bei europäischen Projekten geht, sondern um die Erweiterung ihrer persönlichen Macht auf Kosten der demokratischen Grundregeln der EU.
Polen steht in einem offenen Konflikt mit den rechtsstaatlichen Prinzipien der Europäischen Verfassung. Kaczynkis Partei Pis sah in ihrem Wahlsieg den Auftrag begründet, die polnische Nation in einen zentralistischen Staat umzuformen, mit dem Ziel, die Gewaltenteilung von Legislative, Judikative und Exekutive aufzuheben mittels einer Disziplinarkammer, die unbotmäßige Richter jederzeit suspendieren kann. Alle bisherigen Kader aus Justiz, Verwaltung, Wirtschaft und Kultur wurden entfernt und die frei werdenden Stellen mit Parteifunktionären besetzt, unabhängig von ihrer fachlichen Qualität. Kaczynski erließ ein Polizeigesetz, das staatlichen Behörden erlaubt, ohne Gerichtsbeschluss Telefon- und Internetbenutzer auszuspionieren und das Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und Journalisten auszuhebeln. Der Rundfunk wurde zu einem Propaganda Instrument umfunktioniert. Firmen von Parteimitgliedern erhielten staatliche Aufträge unter Missachtung von Ausschreibungsvorschriften. Als Gegenmaßnahme leitete die EU gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren ein unter Androhung von Sanktionen, die finanziellen Zuschüsse zu kürzen und einzufrieren.
Das Beispiel Ungarn sieht nicht viel anders aus. 2010 gewann Orbans Partei 52,7% der Wählerstimmen und damit zwei Drittel der Parlamentssitze. Orban nutzte die Möglichkeit, Verfassungsänderungen aus eigener Kraft durchzusetzen. Um seine politische Macht zu festigen, änderte er das Wahlgesetz. Er verhinderte die Gleichstellung sexueller Minderheiten und die Aufnahme von Flüchtlingen islamistischen Glaubens, sowie aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrikas. Mit der Mehrheit seiner Regierungspartei setzte er eine Verfassungsänderung durch, die es ihm erlaubte, das Verfassungsgericht, die Justiz, die Nationalbank und den öffentlich rechtlichen Rundfunk in ihren Rechten einzuschränken. Im Umkreis Orbans und der Regierungspartei grassiert die Korruption. Fördermittel der EU landen in den Taschen Orbans und seiner politischen und industriellen Unterstützern. Landwirtschaftliche Nutzflächen werde an persönliche Parteifreunde und deren Familienmitgliedern verteilt. Auch in diesem Fall strengte die EU Kommission ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn ein und hat die Zuschüsse aus dem EU Haushalt eingefroren.
Selbst das Europäische Parlament droht seine Reputation zu verlieren. Wie das Europa Magazin in der ARD berichtete, benutzten Staaten aus Drittländern, insbesondere Quatar und Marokko korrupte Abgeordnete des Europäischen Parlaments, illegalen nationalen Projekten zuzustimmen, indem sie zu Arbeitsessen eingeladen und mit kostenlosen Flügen, Übernachtungen, Bewirtungen und Geschenken überhäuft wurden. Wie will man da noch Sanktionen gegen autoritäre und korrupte Regime in Polen und Ungarn rechtfertigen? Nachdem die Medien den Skandal aufgedeckt hatten, wurden die korrupten Abgeordneten verhaftet.
Bevor man allerdings Kritik an anderen Staaten übt, sollte man bei sich selbst anfangen. Die Deutsche Regierung war die erste, die den Stabilitätspakt aufgeweicht hat. Mit dem Atomausstieg und der Inbetriebnahme der Nord Stream Pipeline hat Deutschland die anderen Mitgliedsstaaten vor vollendete Tatsachen gestellt, und die über das Mittelmeer Geflüchteten zu lange als das Problem der Griechen und Italiener betrachtet.

Dass die EU von Fliehkräften bedroht ist, hat man seit ihrer Gründung erkannt. Die Ursache liegt in ihren Systemwidersprüchen, dem schier unlösbarem Problem, die nationalen Interessen von 27 Staaten mit sozial, politisch und wirtschaftlich so unterschiedlichen Strukturen in Einklang zu bringen mit den Ansprüchen der Europäischen Union als Solidargemeinschaft. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Rechtmäßigkeit der EU Bestimmungen, die als Eingriff in die Souveränität der Länder gewertet werden kann. Wo endet die Freiheit und demokratische Selbstbestimmung und wo beginnt die Fremdbestimmung?
Ein weiteres Dilemma ergibt sich bei der gemeinsamen Geldpolitik. Dir EZB soll die Zinsen niedrig halten, damit sich die südlichen Staaten refinanzieren können, soll aber gleichzeitig die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Die Vorschrift der Einstimmigkeit ist ebenfalls ein Problem, weil damit jedes Mitglied gemeinsame Projekte stoppen kann. So blockiert z.B. Ungarn Strafmaßnahmen gegen Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine, um weiterhin in den Genuss der russischen Gas- und Ölimporte zu kommen.
Trotzdem haben die Sogkräfte, die die EU zusammenhalten immer wieder über die Fliehkräfte gesiegt. Zu groß ist der Druck der Weltmächte, USA, China, Indien auf Europa, mit einer gemeinsamen Politik und Stimme auf die Globalisierung der Weltmärkte zu antworten, um sich im Wettbewerb der Großmächte zu behaupten. Die Klammer, die die EU zusammenhält und immer wieder an den Verhandlungstisch zwingt, sind ihre Werte der Freiheit, der Achtung der Menschenrechten und der demokratisch legitimierten Rechtsstaatlichkeit, zu denen sie sich im Vertrag von Lissabon verpflichtet hat und durch die sie sich von den autoritären und autokratischen Regimen unterscheidet.

Welchen Beitrag kann hierzu die Literatur leisten? Literatur ist zuallererst das schriftliche oder gedruckte Ergebnis von Denkleistung und rationalen Überlegungen, die durch die Sprache vermittelt und ausgedrückt werden und damit eine eigene Wirklichkeit schaffen neben der parallel existierenden sog. objektiven Erfahrungswelt und Erfahrungswirklichkeit. Kann sie aber grundsätzlich eine Änderung der Verhältnisse bewirken? Literatur per se führt noch zu keiner Änderung der Handlungsweise. Ihr Einfluss ist jedoch nicht unbedeutend. Sie kann argumentativ Scheinargumente demokratiefeindlicher Populisten entlarven und widerlegen. Das geschieht in Form von Vorträgen, Essays und Sachbüchern. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Aufklärung und sachlichen Information der Leser und ist durchaus in der Lage, Menschen für Probleme zu sensibilisieren und eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen, die wiederum die Voraussetzung für eine Änderung der Handlungsweise ist.
Bei meiner Literatur Recherche bin ich auf ein Buch gestoßen, das sich erfreulicherweise von Sachbüchern unterscheidet und belletristische und literarische Ansprüche erfüllt. Es liest sich wie ein Roman und handelt von einem reisenden Autor, der Europa erkundet und Menschen aus allen Gesellschaftsschichten befragt: Wie kann man in Vielfalt vereint sein? Wer gehört zur EU und wer muss draußen bleiben? Er trifft auf flammende Befürworter und zornige Skeptiker, auf Europasehnsucht und neu erstarkten Nationalismus. Der Titel: „Europa, wo bist du? Unterwegs in einem aufgewühlten Kontinent, von Alex Rühle, Literaturwissenschaftler und Philosoph und Kulturreporter im Feuilleton der SZ. Bemerkenswert ist, dass Alex Rühle die Menschen in verschiedenen Lebenssituationen zu Wort kommen lässt in ihrem Verhältnis zu Europa. Die EU als großes Versprechen!“

Ich komme zum Schluss:
Die Europäische Union ist unsere einzige Zukunftschance und nach zwei verlorenen Weltkriegen ein großer Erfolg der Solidarität und Verständigung von 27 Mitgliedstaaten. Der Beitrittswunsch neuer Länder ist ungebrochen. Trotz nationalistischer Absetztendenzen autoritärer Politiker sind nach den neuesten EU-weiten repräsentativen Umfragen der Bertelsmann-Stiftung 71% der europäischen Bevölkerung für die bleibende Mitgliedschaft in der EU.


Die litbox 2 des Freien Deutschen Autorenverbands ist die Literaturbühne im Kim Kino Einstein Kultur, gefördert von der Landeshauptstadt München Kulturreferat.

Das Maiprogramm: Die Bedeutung der Europäischen Union für die Integration Europas:   Ein Essay von Horst Oberbeil zum Europathema.

Der 09. Mai 1950 war ein bedeutender Tag für Europa. An diesem Tag hielt Robert Schumann, der französische Außenminister in Paris, im Salon l`Hortage, die Gründungsrede zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch Montanunion genannt, die zur Geburtsstunde der Europäischen Union wurde. Angesichts der immer noch nicht beseitigten Trümmerlandschaft in weiten Teilen Europas eine visionäre Idee, die weit über die Ziele einer wirtschaftlich zollfreien Zusammenarbeit in Form gemeinsamer Kontrolle einheitlicher Produktionsstandards hinausging. Vordergründiges Ziel war die Vermeidung künftiger Kriege und die Aussöhnung Frankreichs mit Deutschland, die die Jahrhundert alte Erbfeindschaft zweier Nachbarvölker ein für allemal beenden sollte.
Der Schumann Plan, den der französische Außenminister in Zusammenarbeit mit Claude Monet, dem zweiten Gründungsvater der Europäischen Union, schuf, sah vor, die Zusammenlegung von Kohle- und Stahlproduktion der Überwachung und Regelung einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, die von den beteiligten Staaten ausgerichtet wird. Die supranationale Institution, die allen europäischen Staaten offen stand, wurde die erste Etappe zur europäischen Föderation. Dem EGKS Vertrag von Paris traten die sechs Gründerstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg bei. Wenn man bedenkt, dass aus den sechs Gründerstaaten im Lauf der Zeit eine Mitgliedschaft von 28 Staaten (aktuell 27) hervorging, kann man die herausragende Bedeutung ermessen, die die Europäische Union für Europa als eine Gemeinschaft europäischer Staaten mit gemeinsamen Wurzeln erfüllt.
Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erfüllt die gemeinsame Währung des EURO. Neben der Flagge Europas mit den zwölf goldenen Sternen auf blauem Grund wurde der Euro zum Symbol der europäischen Integration. Die Vorteile im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr sind offenkundig. Niemand braucht bei Auslandsreisen innerhalb der EU Geld umtauschen und in Fremdwährungen umrechnen. Die Transparenz der Preise ermöglicht dem Konsumenten jederzeit einen Preisvergleich bei innergemeinschaftlichen Waren. Die Zeit der Wechselkursschwankungen ist Geschichte. Der EURO festigt die Stabilität der Währung. Die einheitliche Währungspolitik fördert wirtschaftliches Wachstum und eine enge Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten. Der EURO wurde nach dem US Dollar zur zweitwichtigsten Reservewährung der Welt.

Doch es geht längst nicht mehr um wirtschaftliche Vorteile. Aus einer Wirtschaftsgemeinschaft ist eine Wertegemeinschaft geworden. In Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 01.12. 2009 sind die Werte, zu denen sich die Gemeinschaft der EU verpflichtet, festgelegt. Sie lauten: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören. Als zusätzlich verpflichtende Werte werden Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichheit von Mann und Frau genannt. Auf dem Papier klingt das alles beeindruckend. Doch wurde es in der Praxis auch umgesetzt? Aufgrund der Pluralität nationaler Interessen fiel es den Mitgliedern nicht immer leicht, die selbstauferlegten Regeln einzuhalten.
Die Europäische Union hat etliche Krisen durchgemacht, die bis heute nicht bewältigt sind. 2015 schwappte ein Flüchtlingsstrom Vertriebener aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Libanon und weiteren afrikanischer Staaten in die Gemeinschaft, die die EU in eine schwere Krise stürzte und die die Defizite einer gemeinsamen Asylpolitik offenlegte. Man konnte sich nicht auf eine gerechte Aufteilung und Aufnahme von Flüchtlingen einigen. Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei lehnen bis heute eine verpflichtende Verteilungsquote ab. Ungarn errichtete darüber hinaus Internierungslager für Flüchtlinge, in denen katastrophale hygienische und menschenunwürdige Zustände herrschen. Die Flüchtlingskrise führte in vielen Mitgliedsstaaten zum Erstarken der extremen Rechte.
Die rasante Erweiterung der Mitgliedsstaaten hat die Entscheidungsfähigkeit der EU behindert und eingeschränkt.
Die Schuldenkrise ist eine Folge der ungleichen ökonomischen Entwicklung der Mitgliedsstaaten (Europa der zwei Geschwindigkeiten) und hat zu Spaltungsbestrebungen derer geführt, die sich den Kreditbedingungen der Europäischen Kommission nicht beugen wollten. Das gilt besonders für Griechenland. Der Grexit konnte gerade noch verhindert werden, nicht jedoch der Brexit, der allerdings nicht in erster Linie der Schuldenkrise geschuldet ist, sondern den nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen Großbritanniens, das einen eigenen Weg bilateraler Vertragsgestaltung gehen will. Die Befürchtung, dass der Brexit einen Dominoeffekt auslösen würde, hat sich allerdings nicht bewahrheitet. Die wirtschaftlichen und vor allem politischen Nachteile des Brexits hat Großbritannien unterschätzt. Es muss heute befürchten, dass Nordirland und Schottland, die bei der EU bleiben wollen, sich vom Mutterland abspalten. So hat sich im Nachhinein die Europäische Gemeinschaft der 27 verbliebenen Mitgliedsstaaten als stärker und beständiger erwiesen als allgemein angenommen.
Europa kann im globalen Wettstreit der Weltmächte USA, China, Russland und Indien nur bestehen, wenn es als europäische Gemeinschaft eine gemeinsame, einheitliche Wirtschaftspolitik betreibt und politisch mit einer Stimme spricht.
Die Klammer, die die Europäische Union letztlich zusammenhält, liegt in ihren Werten der Freiheit, der Achtung der Menschenrechte und der demokratisch legitimierten Rechtsstaatlichkeit, zu denen sie sich im Vertrag von Lissabon verpflichtet hat und durch die sie sich von den autoritären und diktatorischen Regimen unterscheidet.
Wer heute immer noch die EU ablehnt, hat nicht begriffen, dass wir die Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und überregionale Arbeitsmöglichkeit, samt gemeinsamer Standards des Umwelt- Klima- Pflanzen- und Gewässerschutzes der Gründung der Europäischen Union verdanken. Insoweit dient die Wahrnehmung gesamteuropäischer Interessen auch dem eigenen Staat.
Die Kampfparole der AFD: Die EU muss sterben, damit Deutschland lebt, kann man nur als billige, populistische Wählermobilisierung bezeichnen und zeugt von einer unglaublichen Geschichtsvergessenheit.
Der Europagedanke hat eine lange Tradition. Die Wurzeln Europas und damit der Ursprung seiner Werte liegen in der Griechischen Philosophie, dem Römischen Recht und dem Christentum.